Aus kontrolliertem Raubbau by Hartmann Kathrin

Aus kontrolliertem Raubbau by Hartmann Kathrin

Autor:Hartmann, Kathrin [Hartmann, Kathrin]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Blessing, 2015
veröffentlicht: 2015-08-30T16:00:00+00:00


6. ASC: Zertifizierung als Herrschaftsinstrument

Die größte und am schnellsten wachsende Zertifizierungsinitiative ist das Aquaculture Stewardship Council (ASC). Wie auch das Marine Stewardship Council (MSC), das Fische und Meerestiere aus Wildfang als »nachhaltig« zertifizieren will, ist auch ASC von der Naturschutzorganisation WWF mitbegründet worden.341 Heute tragen elf Prozent des weltweiten Fischfangs das MSC-Siegel, das von Umweltverbänden wie etwa Greenpeace stark kritisiert wird: 84 Prozent der MSC-zertifizierten Betriebe fischen mit Schleppnetzen, für überfischte Bestände gibt es nur ein Erholungsprogramm und selbst Fische, die auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten stehen, wie etwa der Hoki oder der Dornhai, erhalten das Siegel.342 Massenfisch als »nachhaltig« zu bezeichnen, ist ohnehin ein Widerspruch in sich. Laut FAO sind 85 Prozent der weltweiten Bestände bis an die Grenze genutzt oder überfischt. Entsprechend fand das Kieler Geomar-Institut für Ozeanforschung 2012 in einer Studie heraus, dass nur die Hälfte der Fische mit MSC-Siegel aus gesunden, nicht überfischten Beständen stammt.343

Harsche Kritik gibt es deshalb auch am ASC, der, wieder mit Hilfe des WWF, ein höchst bedenkliches Produkt für den Massenmarkt als unbedenklich zertifizieren will. Der ASC-Standard ist aus dem Aquakultur-Dialog heraus entstanden, der, wie der Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl, vor allem von Unternehmen geführt wurde.344 Seit 2012 prangt das ASC-Siegel für »verantwortliche Aquakultur« auf Produkten im Supermarkt. »Verantwortlich«, nicht »nachhaltig«, das hat die Initiative ganz bewusst entschieden: »Verantwortlich ist ein Begriff, den Verbraucher besser verstehen als nachhaltig. Außerdem gibt es bestimmte Aspekte, zum Beispiel, was die Fütterung angeht, die das ASC dazu veranlasst haben, ›verantwortlich‹ statt ›nachhaltig‹ zu benutzen.«345 Hinter dieser kryptischen Umschreibung verbirgt sich, dass der ASC nicht nur gentechnisch verändertes Futter erlaubt, sondern auch Fisch, Fischmehl und -öl verfüttern lässt. Als »verantwortlich« empfinden das wohl diejenigen, die im Lenkungsausschuss für den Fütterungsstandard sitzen: der Agrarkonzern und weltgrößte Futtermittelhändler Cargill, der auch gentechnisch verändertes Soja vertreibt, die Skretting Group, der größte Hersteller von Futter für Aquakulturen, der Fischfutterlieferant Biomar sowie die internationale Organisation der Produzenten von Fischmehl und Fischöl IFFO.346 Im Aufsichtsrat des ASC sitzt Petter Arnesen vom weltgrößten Zuchtlachskonzern Marine Harvest, der 100 Millionen Lachse pro Jahr verkauft. Dem Besitzer des Unternehmens, dem Milliardär und Finanzinvestor John Fredriksen, gehört außerdem die größte Tankerflotte der Welt, und seine Firma Seadrill ist Weltmarktführer bei Ölplattformen. In seinem Film Lachsfieber deckte der Filmemacher und Autor des Schwarzbuch WWF, Wilfried Huismann, 2010 auf, wie Marine Harvest in seinen mit Chemikalien verseuchten Lachszuchtfarmen die Fjorde in Chile in Sondermülldeponien verwandelt und selbst den Tod von Arbeitern in Kauf nimmt.347 Im Aufsichtsrat des ASC sitzt auch der Futtermittelgigant Nutreco sowie einer der weltweit führenden Firmen für Tiefkühlfisch, Iglo.348

2011 formierte sich eine Gruppe von Organisationen und Graswurzel-Bewegungen weltweit, die gegen Aquakulturen in den Ländern des Südens kämpfen, zur »Kritischen Allianz der Außenseiter« (Critical Outsider Alliance). Als »kritische Außenseiter« hatten die Teilnehmer am Shrimpsaquakultur-Dialog diese bezeichnet, weil sie sich nicht mit der Industrie »an den Tisch setzen« wollten. Allerdings versorgte diese Allianz die Zertifizierer seit 2008 mit sämtlichen Studien und Fakten zu den Auswirkungen der Shrimpskultur, die kein Standard der Welt beseitigen kann.



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